Liebe Bürgerinnen und Bürger,
täglich erhalte ich Anfragen von Bürgern, die sich besorgt über das TTIP-Abkommen zeigen. Im Europäischen Parlament und bei Veranstaltungen in Hessen haben wir etliche Debatten geführt. Einen Teil der Bedenken teile ich, habe jedoch den Eindruck, dass gezielt Fehlinformationen in die Welt gesetzt werden, um differenzierte Meinungen zu verhindern.
Grundsätzlich begrüße ich die Idee des Freihandels als ein Element der globalisierten Welt. Die Europäische Kommission führt die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten im Auftrag der EU. Wir Europa-Abgeordnete haben Druck auf die Kommission ausgeübt, sodass ein Großteil der verhandelten Texte mittlerweile im Internet veröffentlicht und frei einsehbar ist. Diese Transparenz trägt zur Versachlichung der Debatte bei und macht deutlich, dass die Zeiten von “Verhandlungen hinter verschlossenen Türen” vorbei sind. Erstaunlich finde ich allerdings, dass die Anzahl der Abrufe dieser Informationen ausgesprochen gering ist.
Massenmails, die pauschale Urteile enthalten, sind destruktiv. Viele Themen zu TTIP sind wegen ihres Umfangs und ihrer Komplexität weder mit einem Ja noch mit einem Nein zu entscheiden. Meine Kolleginnen und Kollegen der CDU-CSU-Fraktion im Europäischen Parlament nehmen die Befürchtungen der Bürger ernst und wollen Misstrauen, Unklarheiten und Widersprüche aus dem Weg räumen.
Vom Freihandelsabkommen erhoffen wir uns wirtschaftlichen Aufschwung für eine Vielzahl von Branchen, der allen zu Gute kommen soll. In über 130 Staaten gibt es bereits 3.000 ähnlich gelagerte Abkommen. In den Verhandlungen mit den USA ist es zwingend notwendig, dass unsere hohen europäischen Sicherheits-, Hygiene – und Qualitätsnormen nicht abgebaut werden. Unser Niveau an Schutzmaßnahmen darf nicht abgesenkt werden. Amerikanische Risikotechnologien wie Fracking oder Gentechnik sollen keinen Einzug bei uns halten.
Die öffentliche Daseinsvorsoge bleibt garantiert – einen Abbau der Kompetenzen unserer Kommunen wird es nicht geben! Die lokale Wirtschaftsförderung muss ihre Existenzberechtigung behalten. Verbraucher- und Umweltschutz werden nicht an das amerikanische Niveau angepasst. Ausgeklammert bei den Verhandlungen sind der Kultur – und der Medienbereich.
Ich bin gegen private Schiedsgerichte. Wir benötigen dagegen öffentliche Schiedsgerichte, die Rechtschutzsicherheit beiden Streitparteien bieten. Sie haben sich in jedem Fall an Recht und Gesetz unserer EU-Mitgliedstaaten orientieren. Auf lange Sicht sollen Streitverhandlungen vor einer neu einzurichtenden gerichtlichen Institution stattfinden, etwa einem Europäischen Handelsgerichtshof mit einem ordnungsgemäßen Instanzenzug.
Ich freue mich, dass es gelungen ist, im Europäischen Parlament eine ausführliche Debatte zu führen und nicht nur im Freihandelsausschuss. Über 14 Fachausschüsse, darunter meine beiden für Beschäftigung und Soziales sowie Wirtschaft und Währung, haben Anhörungen durchgeführt und eigene Berichte verabschiedet.
Derzeit findet die neunte Verhandlungsrunde in den USA statt. Als “geistige Wegzehrung” hat die Kommission Positionen aus dem Europäischen Parlament mit im Gepäck. Ich setze darauf, dass die Befürchtungen von Jugendlichen, aus den kleinen und mittelständischen Unternehmen und von etlichen erfahrenen Bürgern ausgeräumt werden können. Bevor wir als Abgeordnete, die nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, ihr Gesamturteil finden, werden wir die Verhandlungstexte gründlich durchforsten. Dies ist unser Beitrag zum demokratischen Prozess. Erst danach werde ich meine persönliche Entscheidung treffen – im Sinne der Bürger.
Thomas Mann MdEP