15.07.2015 / Von Pitt von Bebenburg
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Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (rechts) begrüßt Jean-Claude Juncker, den Präsidenten der EU-Kommission.
Beim hessischen Empfang in Brüssel dominiert die Griechenland-Krise. Sowohl Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, als auch die hessischen Parteien stehen dem Ergebnis des Griechenland-Gipfels eher skeptisch gegenüber.
Wahrscheinlich wären die Töne deutlich kritischer ausgefallen beim Jahresempfang der griechischen EU-Vertretung. Doch es war die Vertretung des Landes Hessen, die am Dienstagabend Abgeordnete, europäische Beamte und Lobbyisten nach Brüssel eingeladen hatte.
Dort warb Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) für die Vereinbarung für Griechenland, die die europäischen Staats- und Regierungschefs tags zuvor gefunden hatten, um ein Ausscheiden des Landes aus der Eurozone zu verhindern. „Das war am Ende eine kluge staatspolitische Entscheidung“, sagte Bouffier. Sie solle „kein Anlass für Häme oder extreme Beurteilungen“ sein, befand der Regierungschef. Auf dem Podium, wo mit EU-Kommissar Günther Oettinger und der hessischen Europaministerin Lucia Puttrich zwei weitere CDU-Politiker auftraten, bekam er dafür nur Beifall. Oettinger wählte eine drastische Formulierung für den Fall, dass Griechenland aus der Eurozone ausgeschieden wäre: „Wir hätten ein Notstandsgebiet á la Somalia“, sagte er.
Am Mittwoch sah die Sache aus Bouffiers Sicht schon wieder etwas anders aus. Die Rede des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras habe ihn „fassungslos“ gemacht, kommentierte der hessische Ministerpräsident. Auch in seinem Gespräch mit dem Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, habe dieser „eine hohe Portion von Skepsis“ offenbart und „keine Spur von Euphorie“, berichtete der Gast aus Hessen.
Skepsis bei Europa-Grünen
Zuvor hatte Bouffier deutlich für den Kompromiss mit Tsipras geworben, auch beim Treffen mit den EU-Abgeordneten von CDU und CSU. Die Vorteile der Lösung überwögen ihre Nachteile, griff er eine Formulierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf.
Auch Bouffiers Vize Tarek Al-Wazir (Grüne) ging in die eigenen Reihen und vertrat bei grünen Europaparlamentariern die Position, man möge die Vorteile der Vereinbarung sehen.
Unter den deutschen Grünen-Abgeordneten allerdings stoßen die Ergebnisse auf größte Skepsis. Der nordhessische Grünen-Abgeordnete Martin Häusling etwa urteilt, die Bundesregierung habe sich „miserabel“ verhalten und sei „schulmeisterlich“ aufgetreten. Es müsse „ein grundsätzliches Umdenken“ geben, weil der Weg der Staatssanierung durch Sozialabbau „nach unten“ führe.
Ähnlich sieht der hessische SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann die Sache. Er verteidigt zwar die Vereinbarung, da der Grexit, also das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, noch schlimmere Folgen gezeitigt hätte. Der Sozialdemokrat kritisiert aber zugleich die Austeritätspolitik. „Die Politik der Auflagen war richtig. Es waren aber die falschen Auflagen“, betont er.
„Ein deutsches Diktat“
Die Frankfurter Piratin Julia Reda, die sich der Grünen-Europafraktion angeschlossen hat, sprach von den „schwärzesten Stunden der Europäischen Union, weil die Solidarität, die Deutschland nach dem Krieg erfahren hat, ausgeblieben ist“. Und der Fraktionschef der Linken im hessischen Landtag, Willi van Ooyen, nannte das Ergebnis des Gipfels „nichts anderes als ein deutsches Diktat“. Bouffier und andere Unionspolitiker nähmen in Kauf, die Krise zu lösen, indem sie die humanitäre Katastrophe in Griechenland weiter verschärften.
Auch die Unionsabgeordneten zeigten nicht rundum zufrieden, verteidigten aber das vereinbarte Paket. „Ich hätte mir eine Lösung gewünscht, bei der die Reeder ihre Privilegien verlieren“, nannte der hessische CDU-Europaabgeordnete Thomas Mann einen Punkt.
Doch über solche Details sprachen Bouffier, Oettinger und Puttrich nicht auf der Bühne. Sie betonten die herausragende Bedeutung der europäischen Einigung, die nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe. In der Ukraine, in Nordafrika oder Syrien, im Umgang mit terroristischen Gefahren, bei der Hilfe für Flüchtlinge – überall würden europäische Lösungen benötigt, betonte der Ministerpräsident. „Die Grundfrage war: Kann Europa zusammenbleiben?“
Das Publikum klatschte und begab sich, nachdem der Regen des Tages freundlicherweise abgezogen war, auf die Dachterrasse der hessischen Vertretung. Vor zehn Jahren hatte Hessen etwa die gleiche Wirtschaftskraft wie Griechenland. Heute beträgt das Bruttoinlandsprodukt der Griechen nur noch 180 Milliarden Euro, während die Hessen auf 250 Milliarden Euro geklettert sind. Da sind auch noch ein paar Euro übrig für Rheingauer Wein und Pfungstädter Bier in Zeiten der europäischen Krise.
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